Jahreskonzert (111 von 212)
Von der Ukraine mitten in unsere Musikkapelle
„Nichts ist umsonst – was für eine Freude, endlich wieder mit Spaß und Leichtigkeit Musik zu machen"
Violeta, unsere Flötistin aus der Ukraine, ist nun knapp ein Jahr bei uns. Wir nutzen die Gelegenheit, sie besser kennenzulernen und euch vorzustellen:

Zu Beginn unseres Interviews an einem tief verschneiten Dezembertag in Geisenried erzählt mir Violeta Volkova mit freudigem Erstaunen im Blick, dies sei bereits das dritte Interview, für das man bei ihr angefragt habe, seit sie im April 2022 von der Ukraine nach Deutschland kam. Jedes Interview habe sie aber auf ihrem Lebensweg bestärkt und Ihre Erlebnisse in Deutschland bereichert, drum mache sie das doch gerne, ein wenig über sich erzählen.

Dass Violeta, seit sie das Musikgymnasium 2014 abschloss so einiges erlebt hat, zeigt sich in unserem keine Minute langwierig erscheinenden zweistündigen Gespräch sehr schnell. Eine kreative junge Dame sitzt da vor mir, die offen ist für Musik, Kunst, Design und unter anderem als Stylistin, Webdesignerin und Beraterin für verschiedene (Mode-)agenturen in Kiew gearbeitet hat.

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Violetas musikalische Wurzeln haben sie über Umwege Mitte 2022 auf direktem Wege in unsere Musikkapelle Geisenried geführt. Doch, wie sehen diese genau aus und wie hat sich das alles so gefügt?

Violeta erzählt, dass sie schon als Kind, damals wohnhaft in Severodonetsk, Mitten in der Donbas-Region, Freude an Musik hatte und mit sechs Jahren aus eigenem Wunsch mit Geigenunterricht anfing. Das Interesse für Musik sei ihr in die Wiege gelegt. Ihr Opa habe mit dem Akkordeon und Klavier Feste musikalisch umrahmt und ihre Oma zu Hause auf dem Piano unter anderem für die Enkel gespielt. Ihre nette Geigenlehrerin ging 2001 in Elternzeit, als Violeta gerade ein Jahr ihre Schülerin war. Zu einer neuen Lehrerin wollte sie nicht wechseln. Sie begann dafür zu malen und singen – erst für sich daheim und in den Jugendjahren für 15 Jahre in einem Chor und in einer Kunstakademie für Jugendliche. Ihre nie endende Freude an der Musik ließ Violeta mit elf Jahren mit dem Instrumentalunterricht weitermachen. Sie wählte Querflöte als neues Instrument und lernte, in Vorbereitung auf das Musikgymnasium, Klavier.

Ihre Mutter hätte Sie damals auch gern Saxophon spielen sehen, fügt Violeta an. Ihr sei das Instrument im Grunde egal gewesen, Musik machen zu können war ihr das Wichtigste. Noch 2004 hätte es tatsächlich in ihrem Heimatort geheißen, als Frau spiele man kein Saxophon, das schicke sich nicht, Querflöte sei genau das Richtige für ein Mädchen. Umso überraschter war Violeta, als in ihrer Klasse auf dem Musikcollege junge Frauen aus anderen Teilen der Donbas-Region sowohl Trompete als auch Saxophon und andere Blasinstrumente spielen konnten. Trompete hätte ihr schon auch gefallen, gibt sie lachend zu.

Das gemeinsame Musizieren im klassischen Orchester, Holzbläser- und Jazzensembles habe ihr während der College-Zeit sehr viel Freude bereitet, ebenso wie die Möglichkeit, Gesangsunterricht zu erhalten und dirigieren zu lernen.Mit der Befähigung in der Tasche, sowohl Kunst- als auch Querflötenunterricht zu geben, sowie Gruppen anzuleiten, schloss Violeta das Musikcollege erfolgreich ab. Zeitgleich hatte sie in Luhansk an der Akademia of Culture and Arts mit Begeisterung und großer Motivation den obligatorischen einjährigen Vorbereitungskurs auf das Gesangsstudium bei Lyudmila Kolesnikova begonnen. Kurz vor dem Start des Studiums sei 2014 aber der militärische Konflikt über die Donbas-Region hereingebrochen und Violeta musste für drei Monate zu Freunden nach Kharkiv fliehen. Dort versuchte sie ebenfalls am Konservatorium Gesang zu studieren, aber hatte nach den erschreckenden Eindrücken in ihrem Heimatort unter so starkem Lampenfieber zu leiden, dass sie schließlich nicht mehr auftreten konnte. Damals habe sie sich entschieden, eine Weile Pause vom aktiven Musizieren zu machen. Sie habe zwar jedes Mal innerlich gelitten, wenn sie in ein Konzert gegangen sei, was sie so oft wie möglich machte, weil sie ihre aktive Zeit sehr vermisste, aber konnte sich trotzdem nicht mehr überwinden, daheim ihre Flöte aus dem Koffer zu holen oder zu singen.

Wieder zurück in Severodonetsk, wurde ihr im Oktober 2014 angeboten nachmittags in der örtlichen Kunst und Musikschule Malkurse für Kinder zu geben. Nach kurzem Zögern habe sie dieses Angebot gerne angenommen und nach und nach sogar erfolgreich an Malwettbewerben mit den Kindern teilgenommen. Als der Leiter der Musikschule herausfand, dass Violeta auch das Musikcollege besucht hatte, bot er ihr spontan an, den Kinderchor und verschiedene Musikgruppen zu übernehmen. Erst habe ihr das Angebot Bauchschmerzen bereitet, aber dann sei sie schnell in ihrer neuen Aufgabe aufgegangen, erzählt Violeta. Mit großem Engagement plante sie die Auftritte der Kinder bis ins kleinste Detail, ließ bald sogar bei einer örtlichen Schneiderin Kleider in leuchtenden Farben für die Mädchen anfertigen und beriet die Mütter bezüglich passender Anzüge für die kleinen Sänger. Zeitgleich nahm Violeta ein Fernstudium in Wirtschaftsmanagement auf und schloss dieses mit einem Bachelor drei Jahre später erfolgreich ab, obwohl sie 2016 zusätzlich musikalische Leiterin des Kindergartens und der Schule von Severodonetsk wurde und fortan bis 2019 oft von 8 bis20 Uhr mit Kindern musizierte, malte, Choreographien einstudierte, Auftritte oder die Teilnahme an zahlreichen Wettbewerben vorbereitete. In manchen Proben habe sie die Kinder mit der Flöte oder dem Klavier begleitet, erwähnt Violeta, aber als sie im Oktober 2019 als musikalische Leitung aufhörte, um wie viele ihrer Freunde nach Kiew zum Leben und Arbeiten zu gehen, habe sie sich für eine Weile ganz von der Musik verabschiedet. In Kiew war ihre musikalische Welt in Severodonetsk Geschichte.

Bei einem Interview mit dem evangelischen Pastor Klaus Dinkel, kurz nach ihrer Ankunft in Marktoberdorf, im Mai 2022, sei ihr herausgerutscht, dass sie mal Querflöte gespielt habe. Und als dann die Musikkapelle Geisenried beim Begegnungsnachmittag im St. Martins-Pfarrheim in Marktoberdorf für ukrainische und deutsche Bürger spielte und Violeta mittendrin diesen Auftritt mit leuchtenden Augen bestaunte, hätte Pastor Dinkel sie versucht zu überreden, Kontakt zu den Musikanten aufzunehmen. Auch wenn Violeta sich wahnsinnig geängstigt und geniert habe, weil sie zu dem Zeitpunkt noch kein Deutsch sprach und sich sofort an ihr früheres Lampenfieber erinnerte, habe sie am Ende des Tages die Handynummer unserer Flötistin Anne auf einer Serviette in der Tasche gehabt. Dank der weiteren Initiative von Martina und Corinna Heisler war sie schon kurze Zeit später zum ersten Mal am Freitag in der Musikprobe. Der Zufall wollte es, dass ihre Oma, ihre Mutter und sie zeitgleich eine Wohnung in Geisenried zugeteilt bekamen.

Ihre anfängliche Anspannung in dieser ersten Probe wurde abgelöst von dem Erstaunen, dass in der Probe Bier getrunken wird. Einerseits sei ihr Bier in einer Probe fremd gewesen, andererseits habe sie schnell die Gemütlichkeit dahinter bemerkt und so keine Befürchtungen mehr, dass ihr hier jemand sprichwörtlich auf die Finger klopfen oder Stress machen würde, wenn sie nicht ausschließlich 100% perfekte Töne spielt.

Überhaupt sagt Violeta, sei es ein Glücksfall, dass sie in einem solchen Traumgebiet wie das Allgäu gelandet ist. Ihr gefalle die wunderschöne Tracht, die herrliche Natur und die Offenheit der vielen Musikanten. So kommt es ihr spätestens seit dem Bezirksmusikfest in Rückholz vor, an dem sie mit Begeisterung, als einem ihrer Auftritte mit der Musikkapelle Geisenried im Juli 2022, teilnehmen konnte.

Blasmusik sei für sie eigentlich völlig neu gewesen, aber es mache ihr großen Spaß dabei zu sein. Ab der ersten Probe habe sie das Gefühl gehabt, dazu zu gehören. Selbst die ältesten Musikkameraden hätten ihr bestes Englisch ausgepackt oder sich vertrösten lassen, mit Violeta zu ratschen, wenn sie ein bisschen besser deutsch gelernt habe. Sie erlebe aktuell eine gute und glückliche Zeit in ihrem Leben, weil sie in Geisenried viele neue Freunde und Gleichgesinnte gefunden habe, die wie sie das Musizieren so lieben.

Mit Begeisterung zeigt sie die ausgedruckten Fotos von ihrem ersten Musikausflug mit den Geisenriedern nach Reichenbach. Sie sei einfach nur dankbar, dass sie es nach mehr oder weniger achtjähriger Pause gewagt habe, die Flöte wieder regelmäßig in die Hand zu nehmen und über Anne und Pastor Dinkel sofort Instrumente leihen konnte. Beide seien in ihren Augen diesbezüglich Organisationstalente. „Die Finger wissen noch automatisch wohin, das hätte ich nach der langen Pause nicht gedacht.“

Nichts ist umsonst, was man im Leben macht, das sei ihr gerade jetzt richtig bewusst. Ihre musikalische Ausbildung sei keineswegs umsonst gewesen, wie auch ihre Entscheidung, im Selbststudium ihr Englisch zu verbessern, um als Stylistin und Beraterin einer bekannten Kiewer Agentur - in der sie bis zum Kriegsausbruch im Frühjahr 2022 mit viel Freude gearbeitet habe - für Kundengespräche und von ihr betreute Social Media-Auftritte, besser gerüstet zu sein. Ihre Englischkenntnisse würden es ihr deutlich erleichtern, Deutsch zu lernen und waren DER Türöffner für sie in Marktoberdorf und Geisenried.

EINS ist jedenfalls sicher: Solange Violeta in Deutschland ist, wird sie so oft es geht, mit ihrer Musikkapelle Geisenried spielen, feiern und Spaß haben. Dies seien die wunderbaren heiteren Stunden für sie, in denen sie die Sorgen der Familie um Freunde und Angehörige in Kiew und im Donbas hinter sich lassen, einfach mal abschalten und entspannen könne. Weil: „Was gibt es Schöneres, als gemeinsam zu Musizieren?!“

Vielen Dank für das offene und herzliche Interview, liebe Violeta. Es freut uns sehr, dass du bei uns in der Musik dabei bist!

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Am Christberger 4 a
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